Nein, das ist weder unanständig noch erfunden. Das heißt einfach nur "Eins! ... Zwei! ... Drei! ..." auf finnisch und ist - im richtigen Rhythmus vom Steuerplatz aus der Mannschaft entgegengerufen - auch heute noch ein probates Mittel, die Ruderer anzuspornen und den zeitgleichen Einsatz der Blätter ins Wasser zu trainieren.
So konnten wir diesen und manch anderen Ausruf Ende Juli auf finnischen Seen vernehmen, als wir an der 23. Karelia-Soutu, einer Mischung aus Wanderfahrt, Regatta und Volksrudern teilnahmen, einer sechstägigen logistischen Meisterleistung aller Helfer und Organisatoren, die etwa 1300 (!) Aktive in die Boote brachte und uns über mehrere Seen in Karelien, der wunderschönen Natur im Osten Finnlands führte.
...aus Sicht des Ruderverein Dorsten Martin Dittrich, Jochen Schiller (auch im ARV Hanseat) und Hartmut Thordsen (auch RC Tegelort Berlin), die sich einer von den Ruderfreunden des Alsterruderverein Hanseat Hamburg organisierten Fahrt anschlossen. Mit dabei: Almut Gäbel und Marianne "Nanni" Pohl (Schwerin), Bärbel und Rolf Richers (Hildesheim), Gisa Schäfer und Rainer Tormin (Wandsbek) und die ARV-Hanseaten Christina Berner, Rainer Bolzmann, Jörg Ehlert, Edna und Rüdiger Fraatz, Martin Grüning, Klaus-Henning Mühlenbrock, Steffen Rosig und Olaf Sauer. Rüdiger, der seine Aufgabe als VL (also: Fahrtenleiter) mit Bravour meisterte, erhielt bei der Planung tatkräftige Unterstützung von Sirpa Soulopisto vor Ort in Joensuu, die uns diese Fahrt somit erst möglich gemacht hat.
unser "Team Hamburg" von links nach rechts: Almut, Nanni, Rolf, Jörg, Bärbel, Martin G., Edna, Hartmut, Rüdiger, Jochen, Martin D., Rainer T., Gisa, Christina, Steffen, Rainer B., Olaf, Klaus-Henning
...fühlt man sich ein wenig in einem Kirchboot. Die finnische Bootsklasse, die den Einwohnern früher in der Tat dem Weg zur Kirche über's Wasser dienlich war, wird auch heute noch gebaut und kann u.a. von Bootsverleihern im Land für allerlei Veranstaltungen gebucht werden. Kirchboote bieten 14 Ruderern an den Riemen und einem Steuermann an der Pinne Platz - da braucht es sonst schon drei gesteuerte Vierer, um die gleiche Zahl auf's Wasser zu bringen.
Die Riemen werden nur auf an der Bordwand montierten Stiften gelagert. Einerseits entfällt das Drehen - es geht einfach nicht - andererseits bietet die so vereinfachte Anlage auch Nicht-Ruderern einen schnellen Einstieg. Mit diesem Gerät kommt wirklich Jedermann zurecht! Obendrein sind die Boote absolut gutmütig zu ihren Insassen: man kann praktisch überall hintreten ohne was zu beschädigen, kentern ist selbst mutwillig angestrebt kaum möglich, auch große Wellen sind selten ein Hindernis, die Gesamtmasse aus Boot (ca. 300 kg) und Mannschaft trotzt wirksam dem Wind. Dennoch sind die Boote nicht minder schnell im Wasser. Wer im Kirchboot saß, mag eine Barke nicht mehr anschauen.
erstes Quartier: Timitraniemi Camping in Lieksa |
erste Begegnung mit... |
...unserem Schiff |
Wir waren also mit eben einem solchen Boot sechs Tage und etwa 200 km unterwegs, während im Wechsel drei von uns auf Land blieben und zwei Fahrzeuge mitbewegten. Die Rollschienen und -Sitze entsprachen denen eines Concept-II-Ergometers, was sehr praktisch war, konnten doch keine Rollbahnen mit Sand verschmutzen und es blieb mehr Platz zum Gehen und Stehen im Boot.
Dienstag nachmittag trafen wir uns in Lieksa. Viele waren tags zuvor per Flieger angereist, andere - so auch ich mit meiner Familie - verbanden das mit einem längeren Sommerurlaub in Finnland.
Groß bestaunt wurde beim Treff u.a. der Bootsanhänger eines Bootsverleihers, der hydraulisch unterstützt gleich vier der dicken Schiffe gestapelt lagerte und zumindest theoretisch leicht zu handhaben war. Praktisch erwies sich das dann doch als schwieriger, und so konnte vor allem Rolf hilfreich zur Seite stehen, was unserer Mannschaft später ein herzliches Dankeschön in Form einer uns geschenkten Magnum-Flasche Sekt einbrachte.
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Zum Aufwärmen wurde an diesem Tag eine kleine Wettfahrt gestartet, bei der wir als eines von vier Booten auf den Kurs gingen. Ein verspäteter Start (die Kommunikation war noch zu verbessern), etwas Mangel an Übung mit dem Material und ein vom Gegenwind nur ruppig zu befahrender See brachte uns den verdienten letzten Platz ein. Nun wussten wir aber, was schlimmstenfalls auf uns zukommen sollte.
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Start in Lieksa vor dem Hotel Puustelli |
Mittwoch früh stand die erste "richtige" Etappe auf dem Programm. Vorher sammelten sich die an diesem Tag in 17 Mannschaften antretenden Teilnehmer zu einem Gottesdienst in der nahegelegenen sehr schönen, hellen Kirche. Nun ja, ich habe nicht wirklich viel verstanden, aber die Lieder - begleitet von Chor und Klavier - waren sehr schön.
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Von Lieksa ging es auf dem Pielinen-See über Vuonislahti nach Haapalahti. Es folgten zwei Tage zwischen den Seen auf schmaleren Wasserwegen über Eno nach Jakoskoski und von dort über Lehmo nach Joensuu, der größten Stadt in Nordkarelien. Am Wochenende ging es rund über den Pyhäselkä-See nach Laitakangas und Rääkkylä nach Liperi.
Diese Aufzählung dient wohl vor allem der eigenen späteren Erinnerung, sind uns diese Namen in Mitteleuropa doch alles andere als geläufig. Dabei ist allein der Pielinen mit einer Länge von fast 100 km und einer Fläche von 868 km² fast doppelt so groß wie der Bodensee aber eben "nur" der fünftgrößte See in Finnland!
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Am Ufer des Pielinen mit
seinen 2000 (!) Inseln. Im Hintergrund der Koli-Berg,
von dem aus
man ein herrliches Panorama über den Pielinen erleben kann.
Auf dem Wasser sah man nur selten ein Boot abseits unserer Flotte, die Seen waren weitestgehend verlassen. An den Ufern hier und da hübsche Häuschen und davor ab und zu ein paar der Ruder-Armada zuwinkende Bewohner. Gelegentlich passierte ein Motorboot, deren Insassen unserer bunten Schar Beifall zuklatschten.
Die Fahrrouten sind mit farbigen Stangen auch schon mal mitten im mehrere Kilometer weiten Wasser des Sees auf hundert Meter begrenzt abgesteckt. Selbst mit einem wenig tiefgehenden Kirchboot beachtet man diese Routen besser, denn unwägbare Untiefen gibt es sehr oft. Da schaut mitten im kilometerbreiten Wasser ein wenig Fels mit zwei kleinen Bäumchen und einer Handvoll Möwen hervor. Woanders mag der Fels knapp unter der Wasseroberfläche lauern.
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Der Blick geht weit. Soweit es nach Südwesten ging, war uns auch der Wind gewogen, kam eher schiebend von schräg achtern. Auf einer Rundfahrt konnte das so nicht bleiben und so stand uns der Wind auch einen Tag über 20 km kräftig von vorne entgegenblasend im Weg. Da weiß man abends, was man getan hat.
Bis zu 50 km täglich hatten wir zurückzulegen. Diese Strecke wurde in bis zu drei Etappen mit Landgang zwischendurch geteilt, so dass nie mehr als 18 km am Stück zu rudern waren. Ein Kajütmotorboot fuhr voraus und wies den Weg, ein anderes fuhr als "Lumpensammler" hinterher. Kleinere Pausen zum Trinken und Fotografieren waren machbar, nicht aber ein zusätzlicher längerer Landgang, wollte man nicht den Ablauf insgesamt gefährden.
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Dieser Umstand wusste nicht wirklich zu gefallen, war man anders als bei kleinen Wanderfahrten nicht Herr der eigenen Planung. Wurde vorne im Feld recht sportlich gepullt, so lagen die Boote oft mehrere Kilometer auseinander. Manchmal war das vorwegfahrende Motorboot kaum mehr auszumachen, aber vor allem fielen die Landpausen für die später eintreffenden Boote kürzer aus, als einem das lieb gewesen wäre.
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Jeder macht ein wenig anders Pause. Martin erntet alle Blaubeeren in Reichweite.
Die geplanten Landgänge hatten ihren Reiz, wurden wir doch überall von den Organisatoren vor Ort noch auf dem Wasser per Megaphon-Wagen für die einheimischen Zuschauer vorgestellt und begrüßt. Unser Boot hieß dabei oft genug "Team Rrrrrrrüdigerrrrrrr" - so etwa mit 25 rollenden R - und konnte sich wie die anderen Teams der Neugier der Zuschauer gewiss sein.
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Die Fahne weist die Stelle zum Anlegen. Auch "Team Rrrrrüdigerrr" ist gut angekommen.
Dabei ist zu sagen, dass wir neben einer Mannschaft aus den Niederlanden wohl die beiden einzigen Teams mit rudersportlichem Hintergrund waren. Alle anderen waren anderweitige Gruppierungen, so zum Beispiel die neugewonnenen Freunde des Finnisch-Deutschen Vereins in Joensuu, die nur am Freitag bei der Fahrt nach Joensuu mit einem Boot vertreten waren. Beim abendlichen Tanz im Hotel Kimmel war Zeit zum Gedankenaustausch und manch typisch finnischen Tanzschritt, zum Beispiel beim Jenkka oder Humppa. An den Finnischen Tango trauten wir uns dann aber doch nicht heran. Uwe Schein, Vorsitzender des Vereins, gab mir eine CD seiner schönsten Fotos vom Tage, von denen sich einige hier wiederfinden. Hierfür auch an dieser Stelle nochmals ein herzliches Danke!
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An diesem Morgen ist das
Sekt-Fläschchen fällig.
Wir treffen Uwe Schein und
sein deutsch-finnisches Team.
Viele andere Teams repräsentierten ortsansässige Firmen wie Kaufhäuser, Banken und Versicherungen. Da war ein Boot voll mit Managern einer Firma, in einem anderen saßen deren Frauen. Den Rest des Jahres dürfen dann wieder die übrigen Mitarbeiter "rudern" ;-) Manche gesponserten Teams hatten selbst auf Land noch eine stattliche Begleitung mit auffälligem Großbus, Tischen, Stühlen, Grill, passende Trikots für jeden Tag usw. Der "Wanderzirkus Karelia Soutu" erinnerte gelegentlich an Szenen, die man so nur von der Tour de France kennt.
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Auch das finnische Militär war mit einem Team vertreten (Bild links).
Waren am Donnerstag immerhin 46 Boote unterwegs, so mussten es am Tag darauf Richtung Joensuu noch einmal wenigstens zehn mehr gewesen sein. Freitag war zweifellos der Höhepunkt dieses einmaligen Ruderfestes. Etwa ein Viertel der Mannschaften fuhr die letzte Teiletappe von Lehmo nach Joensuu als Regatta aus. Wir mochten es lieber, im großen Feld dabeizusein. In ständigem Kontakt zu anderen Booten, ein Gruß nach hier, einer von dort, mit rund 800 fröhlichen Menschen singend 10 Meter die Schleuse herab, die Riemen bei Abfahrt und Ankunft zu einem beinahe blickdichten kleinen Wäldchen aufgerichtet - das waren schon Eindrücke, die man nicht vergisst und die Lust auf Wiederholung nähren.
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Ein talentierter Steuermann unterhält die Schleuse mit Gesang.
Und das alles in einer traumhaften Landschaft aus Wasser, Wald und wölkchengesprenkeltem blauen Himmel. Hatte da nicht einer von uns sowas gesagt wie "Das ist hier wie im Paradies - Ist das hier im Sommer immer so?". Der so gefragte finnische Freund im anderen Boot schaute angesichts dieser Frage etwas überrascht, so dass die Antwort etwas zögerlich aber umso eindeutiger ausfiel: "Ja"
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Rudern wie im Paradies - ein ganz normaler finnischer Sommer
Je mehr man darüber nachdenkt, umso größer werden die Komplimente für das gesamte Organisationsteam hinter den Kulissen. Alles klappte reibungslos, nichts hakte. Dabei sahen wir nur einen - wenn auch den zahlenmäßig größeren - Teil der Veranstaltung, der mit einer zweiten Tour für Kleinboote (Einer bis Vierer und ein paar Kanus), die zeitgleich auf anderen Routen nach Joensuu führte, ein weiteres Standbein hatte.
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Es schauerte schon mal ein wenig. Offenbar kann man das recht unterschiedlich überstehen.
Ob es die liebevolle Rundumverpflegung mit leckeren Gerichten, die eingerichteten Bus-Shuttle-Dienste oder der rührige Erste-Hilfe-Service war, alles lief einfach nur super! Am Ziel jeder Etappe warteten außer Speis und Trank auch stets etwas Live-Musik und mehr oder weniger große Tanzflächen davor. Bisweilen wurde auch Freiluft-Theater dargeboten. Im 23. Jahr der Karelia Soutu ist dies sicher Ergebnis umfassender Erfahrungen und eines tollen Teams. Wer schon mal die Planung eines (vergleichsweise kleinen) Wanderrudertreffen verfolgt hat, kann nur den Hut ziehen.
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Süße Pausen - an Bord und an Land
Von allen großen Kleinigkeiten am Rande muss ich aber zwei besonders lobend hervorheben. Ein Leckerbissen war der Biscuit-Erdbeerkuchen von Sirpa, mit dem sie unser Team am Freitag bei der Ankunft auf der Insel Ilosaari in Joensuu überraschte.
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Tanz / Bus-Shuttle / Sirpa's leckerer Erdbeerkuchen
Das andere war die an allen Tagen mitgeführte Feldsauna. In einem großen Zelt stand ein Saunaofen, das Ofenrohr durch ein verstärktes Loch in der Zeltwand nach draußen geführt, an den Seiten zweistufige Holzbänke, ebenso Parkettflächen am Boden und vor dem Zelt. Bereitgestellte Bottiche mit Frischwasser konnten zum Waschen genutzt werden. Das ganze wurde dann neben dem See am Schilfrand aufgebaut und konnte gleich nach dem Rudern genossen werden.
Von der Zeltsauna geht es direkt durch's Schilf in den See |
Gerne erinnere ich mich an eine freundschaftliche Begegnung mit einem finnischen Bauunternehmer, der mit mir im Schilf seinen mitgeführten Wodka teilte - in Sauna-üblicher Kleiderordnung versteht sich. Unser Quietsche-Entchen war seine Shampoo-Flasche. Hätte ich mir damit in einem deutschen See die Haare gewaschen, wäre ich an diesem Tag wohl nicht nach Hause gekommen.
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...in Liperi wurden die acht Mannschaften geehrt, die alle Tage unterwegs waren. So erhielten auch wir jeder eine Urkunde und eine schwere silberne Medaille zur Erinnerung. Ferner wurden Jubilare geehrt, die an der Karelia Soutu schon 10, 15, 20 mal teilgenommen haben. Nicht ohne Charme war auch der Umstand, dass wir kaum aus dem Boot ausgestiegen mit diesem dann auch fertig waren: kein Saubermachen, kein Abriggern, kein Verladen - ein angenehmer Pluspunkt der Tour :-)
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Anschließend zerstreute sich dann alles recht schnell. Wir verbrachten den Abend am Flussufer in Joensuu vor einem kleinen Restaurantschiff zusammen mit ein paar Ruderfreunden aus den Niederlanden und nutzten die Gelegenheit, Sirpa und Rüdiger für ihren Einsatz zu danken.
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...sind so viele hier kaum aufzuzählende Erinnerungen, die diese Fahrt (und meinen vierwöchigen Urlaub mit der Familie) rückblickend auf die Erfahrung nicht weniger Wanderfahrten als eine ganz Besondere wachhalten werden. Ich war das erste Mal in Finnland und weiß nur eines ganz sicher: es war nicht das letzte Mal!
Fahrtenberichte wie dieser sind teils Dokumentation, teils Dank an die Organisatoren, aber vor allem Anregung zum Nachmachen. Sollte letzteres bei dem einen oder anderen Wirkung zeigen, sagt rechtzeitig bescheid - ich komme gerne wieder mit :-)
Hartmut Thordsen
Fotos: Rüdiger Fraatz, Steffen Rosig, Uwe Schein, Hartmut Thordsen, Svenja Thordsen