Das Gefühl am Ende dieser Reise ist schwierig zu beschreiben. Die Freude über die WM-Nominierung war riesengroß, die Erwartungen jedoch nach der Veröffentlichung des Meldeergebnisses realistisch. Anders als in den Vorjahren hatten Australien, Kanada, die USA und Neuseeland ihre besten Ruderinnen im Vierer ohne gemeldet. Bereits im Vorlauf zeigten sich klare Favoriten. Kanada, Australien und Russland, gefolgt von Rumänien und Neuseeland. Es zeichnete sich ein hartes Stück Arbeit für Charlotte, Lea, Anna und Cathrin ab, wollten sie über den Hoffnungslauf noch das A-Finale der besten Sechs erreichen. Dort gab sich dann Neuseeland keine Blöße und fuhr ein einsames Rennen an der Spitze des Feldes, gefolgt von den USA und unserem deutschen Boot, die sich über die 2.000 m ein packendes Rennen lieferten. Am Ende mit leichtem Vorsprung für die USA und der Gewissheit, dass Trainer und Familie am Samstag das B-Finale zu sehen bekommen würden.
Diese machten sich am frühen Freitagmorgen über Dortmund auf den Weg nach Litauen. Nach knapp zweistündiger Flugzeit erreichte der WIZZ Air Airbus den internationalen Flughafen von Vilnius, weiter ging es per Mietwagen zur Strecke ins ca. 30 km entfernte Trakai, um sich dort einen ersten Eindruck zu verschaffen. Gesammelt hatte man diese schon auf dem Weg dorthin. Litauen, ein Land auf dem Weg nach Europa. Überall ist in diesem jungen Staat eine Aufbruchsstimmung spürbar, junge Menschen an jeder Ecke, gutes Englisch eine Selbstverständlichkeit und das Allerbeste für unsere Internet und Facebook-Generation. Freies WLAN für alle - denn kostenloser Internetzugang ist in Litauen ein Grundrecht! So ließen sich die Rennen auf der Tribüne über den per Iphone aufgerufenen Liveticker stets perfekt verfolgen. Nachdem Freitags noch einige Vor- und Hoffnungsläufe zu sehen waren, ging es Samstag in die ersten Finals.
Zunächst stand am Abend aber der Besuch im Mannschaftshotel und ein kleiner Stadtbummel in Vilnius auf dem Programm, der mit der Feststellung endete, dass diese Stadt sowohl kulturell, als auch kulinarisch so einiges zu bieten hat. Nach einem guten italienischen Essen ging es gestärkt ins Hotel zurück.
Die 28 km zur Strecke sollten doch kein Problem sein, über eine Autobahn, so unsere Meinung vorab. Doch litauische Autobahnen bieten dem deutschen Gewohnheitsfahrer so einige Überraschungen. Staus aufgrund von Baustellen sind das geringste Problem, Umleitungen durch die Pampa ebenfalls nicht, Überraschungen bieten hingegen Geisterfahrer, Radfahrer oder Fußgänger. Nichts desto trotz war Trakai am Samstag morgen nach gut einer Stunde Fahrt erreicht.
Trakai selbst scheint ein kleiner Urlaubsort zu sein. Liebevoll gestaltete Holzhäuser erinnern eher an Skandinavien, als an eine ehemalige Sovietrepublik. Der See - einer der größten Litauens - liegt umgeben von Wäldern. Mitten auf einer Insel die berühmte Burg, auf der jeder Staatsgast Litauens bereits empfangen wurde. Etliche Volunteers und Ordnungshüter sorgten für einen reibungslosen Ablauf des größten Sportevents des Jahres in Litauen. Nur leider waren es sehr wenige Zuschauer, die diesem beiwohnten. Trotzdem waren einige sehr weit angereist. Besonders stark vertreten waren Neuseeländer, Amerikaner und Kanadier. Für die meiste Stimmung auf den Tribünen sorgte jedoch die große deutsche Fangemeinde, die rund 1/3 der Tribüne für sich beanspruchte und jedes deutsche Boot auf den letzten 250 m lautstark ins Ziel begleitete.
Schnappschüsse vom See...
|
...irgendwo wurde auch gerudert ;-)
|
Auch unseren deutschen Frauen-Vierer im B-Finale. Deutlich siegten die Mädels vor Dänemark und der Ukraine. Damit war Platz sieben erreicht, eine Platzierung, mit der man zufrieden sein muss, zu stark war die Konkurrenz aus den Überseenationen. Die letzte Enttäuschung wurde dann abends bei einigen Cocktails in der Altstadt fortgespült, denn am finalen Sonntag waren Trainer und Ruderinnen nur noch Regattatouristen.
Während Charlotte, Lea, Anna und Cathrin einige Stücke ihrer Nationalmannschaftsausrüstung gegen Teile anderer Nationen tauschten, teilten sich die Familien und Trainergruppe auf. Familie Reinhardt zog es in die Innenstadt von Vilnius, während der Rest der Gruppe die Finalläufe am Sonntag sehen wollte. Darunter auch das B-Finale des Doppelvierers mit Timo Piontek. Er war besonders enttäuscht, hatte er eigentlich mit einer Medaille gerechnet.
Über die Details der WM-Abschlussparty lassen sich aus meiner Sicht hingegen nur Vermutungen anstellen. Das Ergebnis offenbarte sich uns am Montagmorgen am Flughafen von Vilnius. Zeitgleich checkten etliche Nationen am ein, sofern die Sportler dazu noch in der Lage waren. Übernächtigt und in Feierlaune entdeckten wir auch unseren Frauen-Vierer mit Bootstrainer, die auf dem Weg nach Frankfurt noch einen kleinen, elfstündigen Aufenthalt in Prag hinter sich bringen musste.
Das Fazit der Reise: wie eingangs bereits erwähnt ist das Gefühl im Nachhinein schwer zu beschreiben. Eine Mischung aus Stolz, Genugtuung und Hoffnung, dennoch aber auch ein wenig Enttäuschung. Trotzdem, der erste Schritt ist gemacht und eine Fortsetzung meinerseits ist unbedingt erwünscht.
Und es bleibt der Eindruck eines jungen Landes, welches ehrgeizig mit aller Kraft nach vorne will - genau wie wir!
Sebastian Schmelzer |